Nein zum Flüchtlingskompromiss

Zum Welttag der Flüchtlinge wurden erschreckende Zahlen bekannt: Über 100 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Statt einer wirksamen Bekämpfung von Fluchtursachen haben die EU-Innenminister:innen kürzlich die schärfsten Regelungen für Asylsuchende beschlossen – und zwar auch mit Unterstützung der SPD. Wir stehen weiterhin solidarisch an der Seite der von Flucht und Vertreibung Betroffenen und fordern eine Überarbeitung des Asylkompromisses sowie eine humane Migrationspolitik. Daher haben wir einen Brief an die SPD im EU-Parlament, den Parteivorstand und Innenministerin Nancy Faeser verfasst, den Ihr hier im Wortlaut lesen könnt:

Liebe Nancy, liebe Genossinnen und Genossen,

wir wenden uns wegen des kürzlich beschlossenen „Asylkompromisses“ an Euch. Vorab möchten wir betonen, dass wir die Bemühungen der Bundesregierung anerkennen, eine GEAS-Reform zu erreichen und zugleich die Achtung der Menschenrechte zu wahren.
Auch gilt es zu betonen, dass die nun getroffenen in Teilen Beschlüsse – dazu zählen beispielsweise die Bemühungen für eine gerechte Verteilung von Geflüchteten – ein wichtiger Schritt zu mehr europäischer Solidarität sind. Dies begrüßen wir außerordentlich.
Allerdings beinhaltet der Asylkompromiss aus unserer Sicht auch einige Regelungen, die nicht mit der sozialdemokratischen Vorstellung einer menschenwürdigen und gerechten Behandlung von Geflüchteten einhergehen. Dazu gehört insbesondere, dass durch die Grenzverfahren Menschen aus bestimmten Herkunftsländern (v.a. aus Ländern mit einer Anerkennungsquote von unter 20 Prozent) durch das neue Grenzverfahren 12 und in Ausnahmefällen sogar bis zu 16 Wochen unter womöglich haftähnlichen Bedingungen leben müssen. Auch wenn durch die Bundesregierung angekündigt wurde, dass dadurch Situationen wie auf Moria durch den Kompromiss der Vergangenheit angehören würden, warnen Hilfsorganisationen sogar vor einer starken Ausweitung vergleichbarer, katastrophaler Zustände und von einer bewussten Unterschreitung der Mindeststandards durch die Staaten mit EU-Außengrenze. Kritisch sehen wir auch die Tatsache, dass „sichere“ Drittstaaten nun auch Asyl gewähren können. Die Realität zeigt jedoch, dass Menschenrechte in diesen Ländern keinesfalls immer geachtet. Selbst in EU-Mitgliedsstaaten wie Rumänien werden nachweislich so genannte „Kettenabschiebungen“ durchgeführt, beispielsweise ins Nicht-EU-Ausland – von dort droht den Geflüchteten dann die Abschiebung ins Herkunftsland. Die geplante Ausweisung weiterer Länder zu sicheren Drittstaaten kann dabei zu einer weiteren Verschärfung führen. Durch die Einreise durch sichere Drittstaaten könnte im Übrigen auch für Menschen aus Syrien oder Afghanistan, wenn sie bspw. ohne Dokumente aus ihrem Herkunftsland einreisen.
Als Kommunalpolitiker sind wir tagtäglich mit den Themen Flucht, Migration und Integration konfrontiert. Einerseits stehen viele Städte und Gemeinden, darunter auch Leutenbach, vor großen Herausforderungen bei der Bereitstellung von Unterkünften oder der Integration von Geflüchteten. Eine bessere Verteilung der Migrant:innen auf die einzelnen europäischen Staaten wäre daher sicherlich, wie bereits angemerkt eine Stärkung des europäischen Solidaritätsgedankens und würde zweifelsohne eine Entlastung für unsere Kommune darstellen. Dennoch bezweifeln wir, dass das durch den Asylkompromiss erreicht werden kann. Einerseits müssen die getroffenen Regelungen erst final beschlossen und umgesetzt werden, andererseits bezweifeln wir, dass dadurch eine gerechte Verteilung überhaupt erreicht werden kann, schließlich hat Polen bereits unmissverständlich klargemacht, keine Migrationsquoten zuzulassen.
Liebe Nancy, liebe Genossinnen und Genossen, viele Mitglieder unseres Ortsvereins sind ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe aktiv und haben Kontakt zu Menschen, die in ihrem Heimatland und auf ihrer Flucht nach Deutschland unfassbares Leid erfahren haben. Als Sozialdemokrat:innen haben wir uns bisher stets für die Geflüchteten starkgemacht. Die nun beschlossenen Regelungen stehen in Teilen im krassen Widerspruch zu einer menschenwürdigen Asyl- und Flüchtlingspolitik.
Wir fordern daher insbesondere die sozialdemokratischen Mitglieder des EU-Parlaments auf, dieser Reform in der aktuellen Ausgestaltung nicht zuzustimmen und sich für eine grundlegende Überarbeitung starkzumachen.
Mit solidarischen Grüßen für den SPD-Ortsverein Leutenbach Pierre Orthen und Dominic Allerborn